WHO IS DRIVING

Dr. Karsten Anger im Interview über die Herausforderungen der Wachstums-Geschwindigkeit bei Hadi-Plast

Johanna Zerndt: Stell Dich und dein Unternehmen doch einmal kurz vor.

Dr. Karsten Anger: Die Hadi-Plast GmbH ist ein Spritzguss-Unternehmen, welches sich in den Bereichen der Automobil- und Stahlindustrie, Elektronikindustrie auf kleine Teile für Werkzeuge mit hohen Qualitäten für vollelektrische Maschinen spezialisiert hat. In den letzten 8 Jahren haben wir den Umsatz fast vervierfacht. Ich bin bereits seit 2014 in der Firma und von Anfang an war es auch das Vorhaben, als Nachfolger eines Tages einzutreten. Diese Nachfolge-Regelung haben wir zur Mitte 2020 abgeschlossen, so dass der Altgesellschafter ausgeschieden ist und ich neuer und alleiniger Gesellschafter bin. Ab diesem Jahr kommt dann zusätzlich Dr. Christoph Lakemeyer, den du [bei der Werksführung] auch kennengelernt hast, mit an Bord.

Johanna Zerndt: Hast du dir, als du dich entschieden hast, das Unternehmen zu übernehmen, gesagt „so wie es jetzt ist, da fahre ich erst einmal mit“ oder „ich möchte lieber einiges grundlegend ändern“?

Dr. Karsten Anger: Also, das sind zwei Zeitabschnitte. Als ich das Unternehmen übernommen hatte, habe ich es mir bereits für die zukünftigen Bedürfnisse aufgebaut. Als ich allerdings 2014 angefangen habe, hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass sies ein sehr kleines Unternehmen war. An so eine Art Größe von Unternehmen musste ich mich erst einmal gewöhnen, weil ich vorher bei einem großen Mittelständler und bei einem Konzern gearbeitet habe. Ich möchte damit sagen, dass ich mir alles angeschaut habe, aber von Anfang an, nach einer gewissen Ruhephase, schon begonnen habe alles nach meinen Vorstellungen auszurichten. Denn um eine Firma führen zu können, braucht die Firma auch deinen Fingerabdruck. Das heißt, du musst die Firma verstehen, du musst sie kennen und du musst deinen Fingerabdruck überstülpen. Denn man hat die Intention, diese Unternehmung weiterzuentwickeln und geht deshalb grundsätzlich davon aus, dass in der Firma Potentiale stecken, die noch nicht gehoben wurden oder durch die letzte Generation noch nicht geborgen wurden – egal, ob es die eigene Familie ist oder jemand Fremdes. Und dieses Potenzial versuchte ich zu heben und Stück für Stück weiter auszubauen.

Johanna Zerndt: Wenn man ein, über lange Jahre aufgebautes Unternehmen übernimmt und den Urvater als Geschäftsführer noch neben sich hat: Wie geht man mit Veränderung um? Wie ging er mit Veränderungen um?

Dr. Karsten Anger: Bei einer bevorstehenden Übergabe, muss man sich auf Neuerungen einlassen. Ich kann nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der sich künstlich aufspielt. Dieses „das war schon immer so“ ist der letzte Spruch, den es auf Erden gibt. Denn es wird sich immer ändern, jeden Tag. In gewissen Teilen war diese Freiheit gegeben und in gewissen Teilen nicht und deswegen ist es auch irgendwann notwendig, wenn sich die gemeinsamen Wege trennen. Denn jede Nachfolge wird nie glattlaufen und jede Nachfolge ist ein Kampf.

Johanna Zerndt: Und wie sind deine Mitarbeiter, die du mit übernommen hast, damit umgegangen?

Dr. Karsten Anger: Ich bin immer offen und man kann mir Feedback geben. Dann muss es aber auch konstruktiv sein. Viele Mitarbeiter sind auch nicht mehr da, weil wie, mit allen Unternehmen die wachsen und sich verändern und weiterentwickeln, sich nicht mitverändern. Ich glaube, von den 25-30 Mitarbeitern, die damals da waren, sind vielleicht noch 12-13 da. Also schon eine große Quote, die gegangen ist. …aber aus vielschichtigen Gründen. Man muss es so sehen, wir sind im Geschäftsleben und nicht im Privatleben.  Ich versuche immer in einem gewissen Maße Solidarität und Sozialverhalten an den Tag zu legen. Das muss man auch, denn das gehört auch dazu. Allerdings geht das nicht kompromisslos. Wenn jemand nicht mehr geeignet ist, ist er nicht mehr geeignet. Wenn er vorher der Firma loyal gegenüber war, dann muss man etwas finden was für ihn gut ist. Wenn er immer jemand war, bei dem die Loyalität nicht im Vordergrund stand, dann ist meine Loyalität auch nicht gegeben. Aber ich habe stets versucht, wenn die Loyalität vorhanden ist, mich um diese Person zu kümmern.

Johanna Zerndt: Bist du der Meinung, dass das auch so bei den Leuten angekommen ist und auch irgendwie kommuniziert wurde, dass du dich dann dafür einsetzt? Oder ist es so, dass es sich mal im persönlichen Gespräch mit einem Mitarbeiter ergeben hat und sonst wusste es eigentlich keiner?

Dr. Karsten Anger: Viele sagen, was für ein tolles Arbeitsklima wir haben und was für ein toller Arbeitgeber wir sind und ich glaube wir haben einen ganz guten Ruf am Markt. Das spiegelt uns und das Ganze wider. Natürlich gibt es auch immer einige dazwischen und ich glaube die Zahl ist auch nicht unter 10%, die das gar nicht erkennen und mein Verhalten oder das der anderen als Selbstverständlichkeit empfinden. Manche kennen nur diese Umgangsform und das ist nicht selbstverständlich, was wir machen. Viele merken erst, wie schön es hier ist, wenn sie woanders waren.

Johanna Zerndt: Hast du die Veränderungen als schleichenden Prozess geführt oder hast du gesagt „so, jetzt wird sich einiges grundlegend ändern“?

Dr. Karsten Anger: Es ist ein schleichender Prozess, das kann man anders gar nicht machen. Klar, ich habe immer kommuniziert, wo ich hinwill. Ich habe immer eine sehr offene Kommunikation und sage, was ich fühle, das mache ich immer. Aber nicht gegenüber den Mitarbeitern, sondern eher gegenüber den Stakeholdern, so wie z.B. der Bank. Ich habe gesagt, was ich haben will und welche Größe ich erreichen will. Die meisten sagten dann, was ich für ein Idiot sei. „Der soll mal machen“ … und wenn sie dann irgendwann merken, es bestätigt sich [die Ziele], dann ist das natürlich eine gute Ausgangssituation. Ich habe das immer so gemacht. Ich setze mir unglaublich hohe Ziele, fast unrealistisch, für das, was ich erreichen will. Teilweise sage ich selbst, das kann ich fast nicht erreichen. Dann setze ich mich dadurch aber selbst so unter Druck, dass ich das erreichen muss. Was dann bei mir im Regelfall auch funktioniert.

Johanna Zerndt: Okay, das klingt aber ein bisschen ungesund…

Dr. Karsten Anger: Ok ja, aber so hast du dir ein Ziel gesetzt, damit du nicht mehr von dieser Linie abweichen kannst. Weil sonst sagt man schnell, wenn es schwer wird, ich lass das mal, das ist mir zu viel. So darfst du kein Unternehmen führen, weil dann, wenn du stehen bleibst, gehst du schon zurück. Die Mitarbeiter haben wir immer Stück für Stück mitgenommen. Ich habe immer versucht mit vielen der Mitarbeiter zu reden, aber im Laufe der Zeit habe ich auch einige verloren, weil die nicht dem Ganzen und der Geschwindigkeit folgen konnten. Das ist dann aber auch normal. Man könnte sagen, dass das vermutlich Kollateralschäden sind.

Johanna Zerndt: Da das dein erstes Unternehmen ist, welches du selbst führst: hattest du auch mal das Gefühl, die Richtung, welche dein Unternehmen gerade einschlägt, ist falsch und fährt komplett gegen eine Wand? Und hast du dann versucht abrupt das Steuer umzureißen?

Dr. Karsten Anger: Das kann ich jetzt so pauschal gar nicht beantworten. Natürlich mache ich jeden Tag einen Ruck in eine andere Richtung. Ich bin derjenige, der durchs Kornfeld läuft und die Ähren platt tritt. Und wenn keiner den Weg hinter mir pflastert, dann ist meine Arbeit nicht haltbar. Dann gehen die Ähren schnell wieder hoch. Und wenn ich durch Ähren laufe, kann ich mich auch einmal verlaufen und kann umdrehen und einen anderen Weg machen. Aber das Untermauerte muss dann die richtige Richtung haben, sonst hast du ein Problem. Oder es hat mal einer gesagt, ich sei wie ein Rennpferd in einem Stall voller Zugpferde. Ich laufe halt los, mache eine Richtung aus, aber ich kann nicht alles allein bewältigen. Ich kann zwar auch vorne die Richtung korrigieren, aber das was hinter mir untermauert wird, ist wichtig.

Man muss wissen, was seine Stärken und was seine Schwächen sind. Meine Stärke ist Visionen zu verkaufen und dadurch Vertrieb zu gestalten und auch Chancen zu erkennen und Ideen zu haben. Ich glaube, dass ich auch oft sehr clevere Ideen habe, die aber das ein oder andere mal definitiv nicht zielführend sind und man dann den Weg ändern muss, klar. Manchmal muss man unkonventionell sein, um nach vorne zu kommen.

Johanna Zerndt: Wie gehen denn deine Mitarbeiter mit Veränderung um?

Dr. Karsten Anger: Ich glaube, dass es für sie in erster Instanz Angst bedeutet.

Johanna Zerndt: Wie nimmst du ihnen die Angst?

Dr. Karsten Anger: Angst zu nehmen, wenn sie denn wirklich vorhanden ist, heißt, Gespräche führen, die Mitarbeiter zum neuen Standort schicken und zeigen. Sie mit in Planungen involvieren oder die Planungen zeigen und die Verbesserungen aufführen. All sowas hilft.

Johanna Zerndt: Und wie gehst du dann mit Fehlern um, die vermutlich gemacht werden, gerade weil es ein neues Umfeld ist?

Dr. Karsten Anger: Werden sie nicht. Gerade weil wir mit dem neuen Standort viele jetzige Fehlerpotenziale abbauen.

Johanna Zerndt: Haben sich die Anforderungen eurer Kunden mit den Jahren auch geändert?

Dr. Karsten Anger: Die sind sehr stark gestiegen. Auch die Anforderungen unserer langjährigen Kunden sind im Regelfall auch stark gestiegen. Teilweise sogar sehr stark und drastisch. Genauso wie die neuen Kunden, die wir hinzugewonnen haben, sind mit deutlich höheren Anforderungen an uns herangetreten. Jetzt können wir sagen, wir sind auf einem sehr hohen Niveau, glaube ich. Das sage ich mit Absicht und es gibt wahrscheinlich immer ein höheres Niveau. Aber so, wie wir mit unserer Größe unterwegs sind, sind wir auf einem hohen Niveau unterwegs.

Johanna Zerndt: Was sind das jetzt für konkrete Anforderungen? Sind das einfach Anforderungen in Bezug auf das Material oder was sind das für welche?

Dr. Karsten Anger: Die Anforderungen an die Produkte und an alles drum herum. Sei es jetzt die Funktion oder das Aussehen, die Bemaßung, die Dokumentation, die Verarbeitung.  Also alles was mit Qualität, mit Produktsicherheit, Kostenreduktion und all sowas zu tun hat.

Johanna Zerndt: Wenn ihr viele Anforderungen erfüllen müsst und überall ein gewisser Druck hinter steht, und alles unter Zeitnot bewältigt werden muss, kommt ihr da eigentlich noch mit oder lauft ihr heiß und seid überlastet?

Dr. Karsten Anger: Wir sind immer überlastet. Das ist in der Firma so und im Wachstum. Das ist, wie wir sind. Die Mitarbeiter sind stets so überlastet und deswegen ist Team-Building und Beteiligung und seine Vision zu verkaufen, was du schaffen willst, so unglaublich wichtig. Das ist ein wichtiger Aspekt und das kann nicht jeder greifen. Die, die das greifen können, sind voller Elan mit dabei und merken dann auch, wenn sie ihre Ideen einbringen, dass wir diese dann gemeinsam umsetzen. Und dann wird es für sie wieder einfach und sie kriegen neue Kapazitäten frei. Allerdings gibt es dann Mitarbeiter, die dem Ganzen nicht folgen, die das nicht greifen können und die, die das auch gar nicht wollen.

Johanna Zerndt: Vielen Dank für deine Antworten und deine persönlichen Insights!

Weitere Beiträge zu Who is driving

Aktuelle Erfolgsgeschichten

Menü